antideutscher Deutschnationalismus II

2. März 2006 at 13:51

In der aktuellen Ausgabe des antideutsch dominierten CEE-IEH-Newsflyers wird eine „Rosa-Sterne-Party“ beworben. So weit, so banal, würde DJ Lord Kacke aka connewitzchaot, der Autor des entsprechenden Artikels dabei nicht seinem Nationalismus, den er – wie (auch) in antideutschen Kreisen üblich – durch interessierte Vergleicherei „begründet“, freien Lauf lassen:

Meine Antwort als alter „Zoni“ ist: Mir ist eine Gesellschaft mit Homophobie und Schwulenszene lieber als eine Gesellschaft ohne Homophobie und Schwulenszene. Mir ist das jetzige Deutschland lieber als die DDR – ja, bin ich jetzt Deutschland? Wer dagegen ist, kann mit den Palästinensern Deutschland-Fahnen verbrennen, so einfach ist die Welt und doch so kompliziert.

Was die von DJ Lord Kacke so gelobte Homoszene betrifft, hat der GegenStandpunkt schon alles nötige gesagt, weswegen das hier auch einfach noch einmal zitiert sei:

Das peinliche Benehmen, das viele Homosexuelle an den Tag legen und das dich – weil du dich ihnen zurechnest? – so stört, war einmal eine falsche Antwort auf ihre gesellschaftliche Diskriminierung und ist mittlerweile nicht mehr als ein Stück handelsüblicher Psychokultur.

Zur Vergangenheit: Ihre Kriminalisierung und allgemeine Ächtung hat die Masse der Homosexuellen dazu getrieben, ihren Neigungen heimlich nachzugehen. Das hat nicht wenige zermürbt. Manche haben selber Zweifel an ihrer „Normalität” bekommen und sich selbst als „pervers” verurteilt, andere ihre Ausgrenzung nicht mehr ausgehalten und mit ihrem Selbstmord gemeint, die böse Gesellschaft ins Unrecht zu setzen. Viele Betroffene, die selbstbewusstere Minderheit wahrscheinlich, haben dagegen ihre Ausgrenzung mit absichtsvoller eigener Abgrenzung, die ihnen angetane Verachtung mit eigener Verachtung der „Normalos” beantwortet und diese ohnmächtige Gegenwehr als Subkultur gepflegt – Motto: Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Gesellschaft, die ihm Perversion bescheinigt. Mehr als ihre Diskriminierung haben die Anhänger dieser Schwulen-„Bewegung” dem bürgerlichen Gemeinwesen allerdings auch nie vorzuwerfen gehabt. Zu einer Kritik am Rechtsinstitut der Familie und dessen grundgesetzlicher Zweckbestimmung – und die ist immerhin der Grund ihrer Ausgrenzung! – haben sie sich nicht durchgerungen. Dafür hätten sie allerdings auch einmal ein wenig Abstand zu ihrem – verbotenen – Geschlechtsleben gewinnen müssen. Stattdessen haben sie genau umgekehrt das bisschen Genuss am gleichen Geschlecht eher noch mehr in den Mittelpunkt ihres Denkens und Trachtens gerückt als die Heteros den am andern; sie haben sich mit ihrer – doch eher marginalen – „Abweichung” genau so oder noch viel hundertprozentiger identifiziert als der Staat, der sie mit seinen Gesetzen darunter subsumiert hat. Und sie haben darauf gedrungen, auf ihre „Identität” genau so viel „angeborenes” Recht zu haben und genau so stolz sein zu dürfen wie die Gemischtgeschlechtlichen auf ihr „langweiliges” Keimzellen-Dasein.

Mit dieser bescheidenen Zielsetzung haben die „bewegten” Homos mittlerweile Erfolg. Nichts sonst hat sich und haben sie geändert; schon gar nichts an der Indienstnahme des Liebeslebens durch den Staat; nur die eine Unsitte haben sie dem Gemeinwesen abgewöhnt: ihre Vorliebe zu kriminalisieren. Nun glaubt der Staat ihnen also, dass Schwule und Lesben mit ihrer Variante von „Partnerschaft” den „family values” abzüglich der Kinderfrage doch gerecht werden wollen auch ganz gut gerecht werden können. Und parallel dazu – womit wir in der Gegenwart wären – erwirbt ihre „Sub-” sich Anerkennung als Bestandteil der „Kultur” des Mainstream.

Das ist sehr gerecht, spricht aber weder für die „Sub-” noch für die „Kultur”. Was da abgeht, ist nämlich die – von sexuellen Vorlieben völlig unabhängige! – Zurschaustellung dessen, was stinknormale bürgerliche Individuen für ein besonders auszeichnendes Merkmal, genauer gesagt: für eine ziemlich großartige Leistung halten, für die der Rest der Welt ihnen Bewunderung schuldet. Das muss schon längst nicht mehr ein moralischer Knaller sein, eine Heldentat im Dienst am Vaterland oder dergleichen. Der psychologisch gebildete moderne Mensch hat gelernt, dass man sich mit jedem Fimmel sehen lassen kann, wenn nur die Souveränität, mit der man ihn vor sich her trägt, Eindruck macht; und die ersehnte öffentliche Anerkennung darf sich gerne auch aus Faszination und Grauen zusammensetzen. Deswegen geht es in all den verschiedenen und doch allesamt so zum Verwechseln gleichartig gestrickten „Szenen” um demonstrative „Selbstverwirklichung”: die angeberische Präsentation eines mehr oder weniger methodisch fingierten „Selbst”, das weit erhaben ist über die wirkliche Alltagsexistenz unter den „Sachzwängen” des kapitalistischen Erwerbslebens und der demokratischen Linientreue. Es geht den Beteiligten darum, in einer Welt, in der sie materiell kaum zum Zuge kommen, auf sich aufmerksam zu machen; nämlich darauf, was für einen tollen Hecht die liebe Mitwelt da eigentlich vor sich hat. Merkt sie das nicht und helfen auch immer grellere Formen der Selbstdarstellung nicht weiter, so kann ein bürgerliches Individuum darüber glatt in Verzweiflung geraten. In diesem Treiben, dessen ärgste Sumpfblüten mittlerweile nachmittäglich auf mehreren Fernsehkanälen zu besichtigen sind, spielt die sexuelle Potenz in diversen extravaganten Ausprägungen eine ziemlich bedeutende Rolle – auch dies, nebenbei, ein Abfallprodukt der ehrenwerten „family values”! -; nicht einmal das brauchten Schwule und Lesben erst zu erfinden, um es dann als ihr besonderes Markenzeichen „einzubringen”. Genau darauf sind etliche aber mit Wonne eingestiegen; diejenigen insbesondere, und das sind sicherlich die meisten, die ihre sexuelle Vorliebe ohnehin schon zu ihrem Hauptlebensinhalt gemacht und zu dem „Selbst” heraufstilisiert haben, das sie schon immer unbedingt „verwirklichen” wollten. Da pflegt dann mancher in der Absicht, seine biedere Umgebung zu „schockieren”, eine Absonderlichkeit, die die eigene Person aus der grauen Masse herausheben soll – und merkt noch nicht einmal, dass diese gesamte Masse auf ihre Weise und anderen Wegen mit haargenau demselben Drang unterwegs ist.

Was an einer Gesellschaft mit Hass gegen Homos und Homos, die dermaßen verkehrt auf diesen reagieren, nun besser sein soll, als an einer Gesellschaft ohne Homophobie und ohne Homoszene, weiß wohl nur DJ Lord Kacke. Interessanter ist aber, wie er aus dieser seiner Vorliebe sofort auf ein Lob Deutschlands kommt. Denn aus ihr ergibt sich dieses noch überhaupt nicht, aber für einen Nationalisten wie ihn ist es selbstverständlich klar, dass Deutschland toll ist, weil es hier nicht so zugeht, wie in der bösenbösen undemokratischen DDR. Von Gründen und Zwecken will man bei so einer ‚Argumentation‘ ohnehin nichts wissen, sondern man ist bereits einverstanden mit Deutschland und den herrschenden Verhältnissen und sucht dann nach guten Gründen für dieses Einverständnis. Typisch, dass es für solche Nationalisten dann auch nichts schlimmeres zu geben scheint, als wenn die Fahne ‚ihres‘ Staates verbrannt wird. Und wenn man dieses Lob nicht mitmacht, steht man für sie gegen das fortschrittliche Deutschland samt Homophobie und Homoszene auf Seiten der Palästinenser, die ohne Begründung als Chiffre für das irgendwie Böse schlechthin herhalten müssen (klar – wenn die schon Deutschlandfahnen verbrennen!), was in der Szene, die angesprochen werden soll, ob der dort betriebenen Feindbildpflege wohl auch problemlos so verstanden wird. Dass sich daraus, dass man die nationalistisch-interessierte Vergleicherei nicht mitmacht, überhaupt keine Parteinahme für die palästinensischen Nationalisten ergibt, welche die Deutschlandfahne verbrannten – als würde man als Kritiker des Nationalismus deren Positionen teilen! -, interessiert da auch nicht weiter, geht es doch ohnehin nur um die argumentfreie Denunziation jener, welche nicht die eigene nationalistische Position teilen. Dass sich ausgerechnet ein Nationalist wie DJ Lord Kacke über den durch den Nachdruck der vom Feindbild Islam geprägten Mohammed-Karrikaturen gekränkten Nationalismus jener Palästinenser aufregt, welche als Reaktion darauf die Deutschlandfahne abfackelten, entbehrt freilich nicht einer gewissen Ironie. Ebenso, dass das antideutsch dominierte CEE IEH einen dermaßen deutschnationalistischen Text abdruckt. Andererseits ist das für ein Blatt auch nicht weiter verwunderlich, welches die offen rassistische Mohammed-‚Karikatur‘ der GWG Köln goutiert.

Wie auch immer – auf dem diesjährigen CSD wird sich DJ Lord Kacke sicherlich äußerst wohl fühlen …

Entry filed under: Allgemeines.

Nachtrag zum „bedingungslosen Grundeinkommen“ Adornokritik in a nutshell

Kommentar verfassen

  • 1. jogolo  |  3. März 2006 um 01:30

    Ich würde dem GSP-text durchaus zustimmen, aber warum ist dj lord kacke (höre ich grade zum ersten mal) jetzt ein nationalist? Weil er schreibt:

    Mir ist eine Gesellschaft mit Homophobie und Schwulenszene lieber als eine Gesellschaft ohne Homophobie und Schwulenszene.
    Das ist natürlich Quatsch, aber kein nationalismus


    Mir ist das jetzige Deutschland lieber als die DDR – ja, bin ich jetzt Deutschland? Wer dagegen ist, kann mit den Palästinensern Deutschland-Fahnen verbrennen, so einfach ist die Welt und doch so kompliziert.

    Auch mir ist das jetzige D lieber als die DDR – bin ich deshalb ein nationalist? Ich finde du steigerst dich in deiner Argumentation etwas in Rage 😉 Oder ist diese schlichte Aussage „schon ein lob für deutschland“, wie du meinst? Genauso finde ich bestimmte herrschaftsformen besser als andere, kann aber dennoch sagen, dass ich sie natürlich ablehne.

    Im Zitat steht doch nirgends, dass „dass Deutschland toll ist“, wie du meinst herauszulesen.

    Du schreibst „Von Gründen und Zwecken will man bei so einer ‘Argumentation’ ohnehin nichts wissen“ — aber du anscheinend auch nichts davon, diese Gründe und Zwecke mal für nicht-Marx-leser näher zu erläutern?

    Ich lese dein blog sehr gerne, weil es nüchtern kritisiert und die linke „ich habe die weisheit mit löffeln gefressen“-Polemiken vermissen lässt, hier stimmt das aber leider nicht.

  • 2. mpunkt  |  3. März 2006 um 10:47

    Ich würde dem GSP-text durchaus zustimmen, aber warum ist dj lord kacke (höre ich grade zum ersten mal) jetzt ein nationalist? Weil er schreibt:

    „Mir ist eine Gesellschaft mit Homophobie und Schwulenszene lieber als eine Gesellschaft ohne Homophobie und Schwulenszene.“

    Das ist natürlich Quatsch, aber kein nationalismus

    Nein, das deswegen nicht (geht m.E. auch aus meinem Text hervor), sondern deshalb:

    Mir ist das jetzige Deutschland lieber als die DDR – ja, bin ich jetzt Deutschland? Wer dagegen ist, kann mit den Palästinensern Deutschland-Fahnen verbrennen, so einfach ist die Welt und doch so kompliziert.

    Auf so einen ‚Vergleich’* samt dem Maßstab für ihn kommt man doch überhaupt nur, wenn man den Gegenstand argumentlos affirmieren will. Da schaut man sich schließlich den Gegenstand gar nicht an, sondern sagt: es geht auch schlimmer, also ist der dann doch schon ganz in Ordnung. Die Homoszene ist in diesem Fall die Bebilderung dafür und auch sehr außschlussreich: in der DDR war das (angeblich)** anders als hier und deswegen(! – ein Argument nennt DJ Lord Kacke ja nicht) schlechter. Da ist der Maßstab zum einen schon der: so wie es hier eingerichtet ist, ist es auch gut so; zum anderen ist der Maßstab: woanders ist es schlimmer, also ist es hier dann doch ganz gut. Und warum ist es woanders „schlimmer„? Weil es nicht so ist wie hier! Der interessierte Vergleich ist also eine pure Tautologie, aber das interessiert den so Vergleichenden nicht, weil es ihm ja auch nicht um Erkenntnis, sondern um gute Gründe für seine Affirmation geht. Und wer ‚den eigenen‘ Staat affirmieren will und affirmiert, der ist eben Nationalist.

    Im übrigen hatte ich im Beitrag auch noch ein weiteres Argument genannt, warum DJ Lord Kacke ein Nationalist ist, was du hier völlig unterschlägst. Wer nämlich seinem nationalistisch interessierten Vergleich nicht mitmacht, der ist für ihn ein Vaterlandsverräter (das mag sogar so sein und mit diesem Vorwurf kann ich sehr gut leben ;)) und deshalbauf der Seite der Palästinenser und deshalb auf der Seite der Bösen, statt auf der der guten, also Deutschlands. Die ganzen „deshalbs“ und „alsos“ stimmen selbstverständlich allesamt nicht:

    1.) Aus einer Kritik an Deutschland ergibt sich überhaupt keine Parteinahme für die Deutschlandfahnen verbrennenden palästinensischen Nationalisten, außer man teilt deren Gründe, also einen empörten Nationalismus, dessen Empörung sich daran entzündet, dass auch in deutschen Zeitungen die das Feinbild Islam bestätigenden Mohammed-Karrikaturen abgedruckt wurden. Mit diesen wird schließlich dem Islam als Ideologie*** der dortigen Staaten und Staatsgründungsprojekte die Berechtigung abgesprochen und damit in gewisser auch diesen Staat(sgründungsprojekt)en selbst: wenn die mit einer Ideologie unterwegs sind, die immer nur Terror hervorbringt, dann sollen sie halt Ziele für den Krieg gegen den Terror sein. Wer hingegen (wie z.B. ich) Deutschland aus einer Kritik am bürgerlichen Staat heraus ablehnt, weil es ein ebensolcher ist und daher mit dem Eigentum ein sehr prinzipielles Ausschlussverhältnis aufherrscht, weil es das macht und die daraus sich sehr notwendig ergebenden prinzipiellen Konflikte entsprechend verregelt, weil es einen Kapitalismus will, um per Steuern an dessen abstrakten Reichtum teilzuhaben, weil es schon deshalb seinen Kapitalen auch den Zugriff auf ausländische Märkte eröffen (und sie auf dem Heimatmarkt wenn nötig schützen) will, was es mit den anderen Staaten, die das gleiche Vorhaben, in ein permanentes gegenseitiges Erpressungsverhältnis ist und weil das Staatsvolk das Menschenmaterial dafür abzugeben hat (billige und willige Arbeitskräfte und ggf. Soldaten zu sein) und deshalb lauter Schädigungen von den Laden hier hat, der unterstützt eben auch nicht die palästinensische Sache, unbedingt einen eigenen Staat zu wollen.

    2.) Die Palästinenser als das Böse zieht halt nur, weil es in den antideutschen Kreisen, die mit dem Artikel von DJ Lord Kacke angesprochen werden sollten, bereits ein entsprechendes Feindbild gibt. Als wäre deren Nationalismus nun ein irgendwie besonderer – deswegen ist es ja auch einigermaßen ironisch, wenn sich ein Nationalist wie DJ Lord Kacke über diesen aufregt. Und dass er das Feindbild Palästinenser noch einmal damit ausmalt, dass die sich doch glatt erdreisten, Deutschlandfahnen zu verbrennen, zeigt nur noch einmal seinen Nationalismus.

    Was DJ Lord Kacke hier betreibt, ist, Deutschland (im ‚Vergleich‘ mit den Palästinensern) als progressiv und damit irgendwie toll darzustellen und alle, die das nicht mitmachen, als Freunde des palästinensichen Staatsgründungsprojekt und damit als irgendwie reaktionär zu denunzieren. Oder kurz: für ihn gehört sich Deutschlandkritik für gute Linke nicht – gibt ja so eine tolle Homoszene hier, die auch noch großzügigerweise erlaubt ist …

    Auch mir ist das jetzige D lieber als die DDR – bin ich deshalb ein nationalist?

    Würde ich schon annehmen, sonst würdest du dir einen solchen interessierten Vergleich ja sparen. Prüf doch mal, was du für Schädigungen von Deutschland hast, statt zu sagen: na immerhin ist es nicht die DDR; als würde dadurch hier irgend etwas besser. Zum Systemvergleich möchte ich noch einmal auf einen MSZ-Artikel hinweisen, der mal einen korrekten Systemvergleich zwischen Kapitalismus und Realsozialismus vorgenommen hat und wie folgt endet:

    Was da nach so eindeutigen und einseitigen Maßstäben „verglichen“ wird, das sind deswegen auch nicht die „Systeme“ selbst, geschweige denn ihr wissenschaftlicher Begriff, sondern ihre Leistungsfähigkeit in den Affairen weltweiter Geschäftemacherei und Herrschaftsentfaltung. Nicht die tatsächlichen – und schon gleich nicht die ideologisch behaupteten – Prinzipien von realem Sozialismus und demokratischem Kapitalismus treten da in „Konkurrenz“ zueinander, sondern die jeweiligen Erträge staatlich organisierter Ausbeutung werden als Kampfmittel gegen die je andere Seite verwendet – mit dem entscheidenden Vorteil der westlichen Seite, daß sie dafür die Prinzipien diktiert. Material des „Vergleichs“ sind so in letzter Instanz auf beiden Seiten die „kleinen Leute“: die arbeitenden Völkerscharen nämlich, und was sie sich ökonomisch und moralisch gefallen lassen.

    Diese selbst haben deswegen untereinander auch überhaupt nichts zu vergleichen; und wenn sie es in ihrer Phantasie dennoch tun, so kommt das Entsprechende dabei heraus: alternative Ausmalungen eines Glücks im Verzicht. Kindereien wie die jederzeit kaufbaren Bananen spielen in dieser Sorte „Systemvergleich“ von unten dann regelmäßig eine Hauptrolle – gerechterweise; denn über „Genüsse“ solchen Kalibers – die Gegenrechnung wird mit den billigeren Straßenbahntarifen und Mietkosten aufgemacht – gehen die jeweiligen praktischen „Segnungen“ des zuständigen Systems für die Betroffenen und ihren Alltag ohnehin kaum hinaus. Auf solche Vergleiche Wert zu legen, ist allerdings nicht bloß töricht und außerdem ein handfestes Eingeständnis der Armut; es ist auch einigermaßen gefährlich. Denn wer sich als Untertan, den politischen und ökonomischen Kampf des „freien Westens “ gegen die sozialistische Ausnahmeerscheinung auf dem Globus als einen Vergleich zurechtlegt, der ihm zur Entscheidung aufgetragen wäre – sei es anhand von Bibel, Solschenizyn und Biermann, sei es am Maßstab von Jakobs Krönung -, der ignoriert nicht bloß die praktischen „Vergleiche“, denen die benutzte Menschheit von ihren politischen Herren unterzogen wird: Der nimmt mit seiner ganz und gar fiktiven Vorteilsrechnung zwar nicht für diesen Vergleich – den kennt er ja gar nicht! -, um so mehr aber für die eigene Seite in diesem Vergleich Partei. Und wem auch immer das nützen mag: ihm schadet es ganz gewiß!

    Genauso finde ich bestimmte herrschaftsformen besser als andere, kann aber dennoch sagen, dass ich sie natürlich ablehne.

    Wenn man aus allen Herrschaftsformen notwendig Schädigungen zu erwarten hat, warum soll man dann bitte unbedingt festhalten wollen, dass die eine vielleicht „immerhin“ „nicht ganz so schlimm“ wie eine andere ist? Das ist doch schon der Wunsch nach Parteinahme für die eine …

    Im Zitat steht doch nirgends, dass “dass Deutschland toll ist”, wie du meinst herauszulesen.

    Nee, das ist in ihm schon vorausgesetzt und dann werden davon abweichende Positionen denunziert.

    Du schreibst “Von Gründen und Zwecken will man bei so einer ‘Argumentation’ ohnehin nichts wissen” — aber du anscheinend auch nichts davon, diese Gründe und Zwecke mal für nicht-Marx-leser näher zu erläutern?

    Ich habe schon mehrfach in Blogbeiträgen einige Sachen in diese Richtung angesprochen und/oder entsprechende Texte und mp3s verlinkt und auch in dieser Antwort steht ja wieder etwas dazu. In jedem Blogbeitrag eine allgemeine Kritik an bürgerlichen Staat und Kapital zu schreiben, schaffe ich aber tatsächlich weder zeitlich, noch halte ich es für sinnvoll, weil es irgendwann nur noch langweilen würde und weil es dafür auch geeignetere Medien gibt (wo es zum Glück andere gibt, die sich die Mühe machen, das alles recht gut zu erklären). Daher gehe ich im Blog eben hauptsächlich auf Sachen ein, die mir beim Medienkonsum besonders aufgefallen sind, wofür das Medium Blog auch recht gut taugt.


    * Ein wirklicher Vergleich, der einfach Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen zwei Sachen festhält, ist das übrigens auch nicht. Vielmehr geht es um Parteinahme wegen der Unterschiede.
    ** Ob es in der DDR tatsächlich weder Homophobie noch Homoszene gab, weiß ich nicht und es ist mir ehrlich gesagt auch relativ egal.
    *** Der Islam als nationale Ideologie geht von einem enttäuschten Nationalismus aus, weil die palästinensische Sache nicht recht vorankommt, ebenso der Erfolg der Staaten in dieser Region (außer Israel) in der Staatenkonkurrenz. Dafür wird als Grund dann die Zerstrittenheit untereinander und das Abweichen von den ‚eigenen Traditionen‘ ausgemacht (sogar die ‚eigene Kultur‘ sei von den Feinden geprägt) – beides soll durch den Islam beseitigt werden.

  • 3. jogolo  |  3. März 2006 um 12:12

    es geht auch schlimmer, also ist der dann doch schon ganz in Ordnung.

    Genau diesen Schluss kann ich im Zitat nicht rauslesen.

    Mir ist das jetzige Deutschland lieber als die DDR – ja, bin ich jetzt Deutschland?

    Genau diese rhetorische Frage verneint doch deine Interpretation. Ich bin gegen D., finde diese Herrschaftsform allerdings besser als andere, also „so einfach ist die Welt und doch so kompliziert.“ Ich finde durchaus, dass das möglich ist. Ich lehne es ab Miete zu zahlen, dennoch zahle ich lieber 100€ statt 300€. Naja, hier drehen wir uns im Kreis 😉 Ich werd mir mal ausdrucken, ums es vernümpftig lesen und reflektieren zu können.

    Übrigens ist mir noch folgendes aufgefallen: Dadurch, dass du dich imho „wissend“ auf das Mini-Zitat stürzt, und dann imho das herleitest, was du schon vorher wusstest, verfehlst du den eigentlichen Widerspruch des Zitates:
    Das der Umgang mit Homophobie in islamischen Ländern gleich dem in der DDR sei. Das ist doch eigentlich der Widerspruch, der einen anspringt, wenn man das liest. Das es trad. den Homo/Hetero-Binarismus in außereur. Ländern nicht gab, wird vom lord einfach ignoriert. Siehe hierzu:
    http://gigi.x-berg.de/texte/globalizing
    http://de.wikipedia.org/wiki/Homosexualität#Die_Erfindung_des_Homosexuellen

    Nun gut, danke für die Antwort, ich les es mir heut abend nochmal in ruhe durch.

  • 4. mpunkt  |  3. März 2006 um 13:58

    Dass er seine Argumentation durch eine rhetorische Frage erst brechen muss (verneinen greift schon zu weit – das hat eher etwas von: man muss sich doch positiv auf Deutschland beziehen dürfen, ohne gleich als Nationalist kritisiert zu werden; dass man mit Deutschland nix zu tun haben will, ist durch die Frage jedenfalls nicht gesagt), zeigt doch dass sie objektiv einen nationalistischen Gehalt hat. Ohne einen solchen Bruch dürfte man in linksradikalen und/oder antideutschen Publikationen momentan dann doch noch schlecht ankommen und als Hurrapatriot will sich jemand wie DJ Lord Kacke wohl auch nicht sehen. Aber ein irgendwie ‚kritischer‘, distanzierter Nationalismus, ist halt immer noch einer. (Noch einmal: auf solche ‚Vergleiche‘ kommt man überhaupt nur, wenn man den Gegenstand affirmieren will. Da bestimmt man ihn schließlich gar nicht, sondern stellt ihm ein grundloses Lob dafür aus, nicht wie ein anderer zu sein.) Und sehr konsequent macht DJ Lord Kacke dann doch auch gleich im nächsten Satz mit dem Nationalismus weiter, indem er jene denunziert, die seine interessierte Vergleicherei nicht mitmachen, indem er sich darüber empört, dass die Palästinenser Deutschlandfahnen verbrennen etc.

    Dein Beispiel mit der Miete trifft m.E. nicht so recht, weil es sich da um pure Mengenquantitäten handelt. Klar kann man da sagen: wenn ich schon für alles einen Preis zahlen muss, dann doch lieber den niedrigeren. Bei den nationalistischen Vergleichen zur Herrschaft geht es hingegen doch um Qualitäten und man lobt die Herrschaft über einen dann dafür, dass sie so und nicht anders herrscht. Von deren Gründen und Zwecken will man dann wie gesagt nichts wissen. (Z.B. dass Demokratie auch überhaupt nur geht, wenn die Leute schon so nationalistisch sind, dass sie zufrieden sind, aller paar Jahre eine Regierungsmannschaft zu wählen und damit der Herrschaft zustimmen. Als wären die Demokratien nicht erst mit Staatsterror und Diktatur gegen vermeintliche und tatsächliche Staatsfeinde durchgekämpft wurden. Dass es denen gelungen ist, Staatsfeinde im Inneren entweder niederzumachen oder in den Staat zu integrieren, weshalb sie Demokratie machen können, soll dann ausgerechnet das Lob für sein?)

    Den Text von gigi kenne ich übrigens, aber das war hier nicht mein Thema. Deinen Widerspruch sehe ich da allerdings nicht – wenn die Konstruktion des Homosexuellen und die Homophobie in den Nahen Osten importiert wurden, dann wird jetzt eben auch entsprechend gleich mit den Leuten dort umgegangen. Das kommt nur nicht vom Islam her, aber darum ging es hier nun wirklich nicht (wird auch von DJ Lord Kacke nicht erwähnt, auch wenn er wohl vermutlich davon ausgehen dürfte).

  • 5. mpunkt  |  3. März 2006 um 15:14

    Nachtrag zu deinem Mietenbeispiel:

    Ein weiterer gravierender Unterschied ist, dass du zum Vergleich von Preise ja permanent praktisch gezwungen bist, denn was du mehr an Geld für die eine Ware ausgibt, fehlt zum Erwerb einer anderen. Bei der Herrschaft besteht hingegen kein Analogon dazu, weshalb es eben auch nur dem Interesse an ihrer Affirmation entspringen kann, wenn man an einer Herrschaft unbedingt festhalten will, dass sie ‚verglichen‘ mit einer anderen dann doch ganz okay ist. Zumal – das in Fortsetzung meines Arguments von oben mit den verschiedenen Qualitäten – aus einer anderen Art von Herrschaft objektiv betrachtet sich doch nie und nimmer ein ‚besser‘ oder ’schlechter‘ ergibt – was soll denn auch der Maßstab dafür sein? (Bei verschiedenen Quantitäten der gleichen Qualität gibt es den hingegen.)

  • 6. ?  |  8. März 2006 um 01:57

    Ich bin jetzt also schon Nationalist, wenn ich nur sage, die BRD ist zwar absolute Scheiße aber mir immerhin noch lieber als das Dritte Reich? Das willst du mir doch nicht echt erzählen, oder?

  • 7. mpunkt  |  8. März 2006 um 10:11

    Doch, genau das will ich „erzählen“ und ich habe das auch schon begründet: der einzige Grund, einen solchen ‚Vergleich‘ anzustellen, ist die Affirmation des Gegenstands.Über diesen weiß man nämlich nach einem solchen ‚Vergleich‘ genauso viel oder wenig, wie vorher – aber man spricht ihm ein völlig unbegründetes Lob aus; eben nicht wie ein anderer Gegenstand zu sein. Das siehst du nicht nur beim Nationalismus, sondern auch, wenn Leute anfangen sich in die Richtung zu äußern: na immerhin bin ich nicht krank; na immerhin verhungere ich im Gegensatz zu den Hungerleidern in Afrika nicht etc. pp. Da sucht man sich auch die größten Elendsgestalten aus, um sich auf diese Weise damit, wie man in dem Laden hier vorkommt, einverstanden zu erklären.

    Im übrigen ist diese Masche: na immerhin ist es kein Nationalsozialismus/ „Totalitarismus“ (DJ Lord Kacke macht ja den interessierten ‚Vergleich‘ zur DDR und nicht zum NS auf) sehr passend zum hegemonialen Nationalismus der BRD. Dieser bekennt ja auch, dass der Nationalsozialismus ganz schlimm war (kritisiert ist der damit freilich nicht – was ohne Nationalismuskritik auch nicht geht) und die BRD, weil sie sich auf diese Weise von ihm abgrenzt, gut ist … und daher die „Verantwortung“ hat, überall auf der Welt hineinzuregieren, um ein neues Auschwitz zu verhindern.

  • 8. Richard  |  10. März 2006 um 18:43

    Jogolo, der „immer-noch-besser-als“-Vergleich wäre eigentlich eine rein unterwerfungstechnische Frage, der man sich immer wieder praktisch stellen muss: Bei welcher von den Alternativen, vor die ich gestellt werde, komme ich am besten weg? Ja, und wenns bessere Arbeitsbedingungen in Skandinavien gibt, dann geht man da hin, wenn man muss. Das ist aber kein Urteil dadrüber, aus welchen Gründen Dein Interesse in welcher Weise dort wie hier vorkommt. Noch weiter: Wenn man zu einer der angebotenen Alternativen bereits „na, dann schon lieber“ sagt, scheint das, was man will da ja nicht gerade gut aufgehoben zu sein.

    Der Vergleich, den dieser DJ anstellt verdankt sich auf keinen Fall dieser Zwangslage, unter zwei beschissenen Sachen die weniger unangenehme auszuwählen – das sieht man ja an dem Vergleichsding, der nicht-mehr-realexistierenden DDR. Und wenn es sie noch gäbe, dann würde er halt sich sagen „na gut, geh ich halt nach drüben“ und die Koffer packen. Aber ein Bekenntnis zu Deutschland, oder zumindest zu seinen _zumindest auch_ vorhandenen guten Seiten kann aus solch einer Zwangslage nie und nimmer folgen.

    Aber der Typ will genau das sagen, nämlich, dass er diesen Staat doof & toll zugleich findet, weswegen die Welt ja auch „So kompliziert“ ist – siehe der Verweis auf die Deutschlandfahnenverbrennenden Palästinenser-Nationalisten, was für einen Parteigänger gegen das Böse das wahnsinnige Problem aufwirft, für wen in dem Falle Partei zu ergreifen wäre (ich würde nämlich, im Gegensatz zu MP, eher darauf tippen, dass er es sich zum Problem macht, dass hier das Böse das Böse bekämpft & er sich tatsächlich fragt, auf welche Seite man sich hier wohl zu stellen hat).

    Ich bin auch der Meinung, dass diese Form des „Urteilens“ aus einer schon im vornherein feststehenden Parteinahme für dasjenige, was besser wegkommt resultieren kann – und es meist auch tut. Für diesen Zweck stellen die Parteigänger den Vergleich im Regelfall an & dementsprechend wählen sie auch ein möglichst mieses Vergleichsobjekt aus.
    Aber warum muss man in jedem Fall interessiert gedacht haben, um diesen Vergleich anzustellen? Es kann doch auch ein ganz unschuldiger Fehler sein, eine vorgestellte Zwangsentscheidung mit einem Urteil über die Sache zu verwechseln.

  • 9. mpunkt  |  11. März 2006 um 18:57

    Aber der Typ will genau das sagen, nämlich, dass er diesen Staat doof & toll zugleich findet, weswegen die Welt ja auch „So kompliziert“ ist – siehe der Verweis auf die Deutschlandfahnenverbrennenden Palästinenser-Nationalisten, was für einen Parteigänger gegen das Böse das wahnsinnige Problem aufwirft, für wen in dem Falle Partei zu ergreifen wäre (ich würde nämlich, im Gegensatz zu MP, eher darauf tippen, dass er es sich zum Problem macht, dass hier das Böse das Böse bekämpft & er sich tatsächlich fragt, auf welche Seite man sich hier wohl zu stellen hat).

    Nö, das fragt der sich nicht (was auch verkehrt genug wäre), sondern das ist für ihn bereits entschieden: Die Palästinenser sind für ihn das Überböse, während er Deutschland dann doch ganz gut findet, weil es da eine Homoszene gibt. Darum taugt für ihn der Verweis auf die Palästinenser ja auch, um diejenigen zu denunzieren, die seinen interessierten Vergleich nicht mitmachen wollen … die sind dann eben Parteigänger des Überbösen. Um da nicht dazu zu gehören, soll man dann doch lieber – bei aller Skepsis – für das tolle Deutschland sein, was sogar eine Homoszene erlaubt.

    Aber warum muss man in jedem Fall interessiert gedacht haben, um diesen Vergleich anzustellen? Es kann doch auch ein ganz unschuldiger Fehler sein, eine vorgestellte Zwangsentscheidung mit einem Urteil über die Sache zu verwechseln.

    Na dass das bei diesem DJ nicht der Fall ist, schreibst du ja selbst. Ansonsten würde ich jetzt nicht kategorisch ausschließen wollen, dass man, wo man tatsächlich praktisch auf so einen Vergleich verwiesen ist, diesen auch mal mit einem Urteil über die Sache verwechseln kann. Da Gedanken ja nicht logisch verlaufen müssen kann man sich da schließlich alles mögliche vorstellen. Andererseits sehe ich zumindest die Logik nicht, die dazu führen würde: wenn man sich entscheidet 100 Euro statt 300 Miete zu bezahlen, dann weiß man doch, dass selbst die 100 Euro für anderes fehlen, dass die Wohnung für 300 Euro vermutlich mehr taugt und man sich die aber leider nicht leisten kann etc. Von so einem materialistischen Standpunkt aus kommt man doch gar nicht drauf zu sagen: na ein Glück, dass ich hier immerhin nur 100 Euro Miete zahlen muss – ich könnte ja auch 300 zahlen müssen. Wer so etwas sagt, der will sich das halt schönreden, was er für die 100 Euro bekommen hat und wie er entsprechend auch sonst so in dem Laden hier vorkommt.


Blog Stats

  • 15.826 hits

Feeds