Aggro Antiamerikanismus …

19. Februar 2006 at 11:08

… nichts als Nationalismus

Im CEE IEH, dem Newsflyer des Conne Islands, ist vor einiger Zeit ein Text von Kaubi erschienen (alle nicht anders gekennzeichneten Zitate aus ebd.), welcher sich mit den Rappern Fler und Bushido befasst, welche beim Label Aggro Berlin unter Vertrag stehen bzw. standen. Darin weist er an den Texten von Fler korrekter Weise nach, dass der häufig erhobene Vorwurf, dieser wäre ein Nazi, nicht trifft. Statt sich nun aber der Kritik des ganz normalen Nationalismus‘ von Fler und Bushido zu widmen, nimmt er sich deren Antiamerikanismus als Hauptkritikpunkt vor:

Schabt man also nicht nur oberflächlich an der Kruste des „Aggro-Berlin-Problems“, bedeutet dies, vom bloßen Vorwurf des Nationalismus abrücken zu müssen und die Kerngestalt, die von den Rappern propagierte Gewalt und den Antiamerikanismus, zu kritisieren.

Dieser Antiamerikanismus wird von Kaubi als etwas Zusätzliches zum Nationalismus interpretiert, wie aus obigen Zitat hervorgeht, womit er diesen aber nicht mehr erklären kann. Vielmehr wird dieser bei ihm wie so ziemlich alles andere auch zu einem rein moralischen Vorwurf, der verdeutlichen soll, wie böse Fler und Bushido doch wären. Dabei geht aus den von Kaubi zitierten Sachen dieser beiden Rapper m.E. sehr klar hervor, dass deren Antiamerikanismus ihrem Nationalismus entspringt. So schreibt er z.B. zu Fler:

Denn nicht deutsche Stärke wird propagiert, sondern eine Schwäche der deutschen Musik konstatiert, der Fler erst einmal wieder auf die Beine helfen möchte. Fler halluziniert sich eine von den Medien konstruierte Verschwörung, und eine Isolation der von den Amerikanern beeinflussten Öffentlichkeit herbei, die in keinem Verhältnis zur Wirklichkeit steht. In seinen Texten und Interviews wird immer wieder deutlich, dass er sich „boykottiert“ fühlt und einem amerikanischen Mainstream entgegenwirken will, um deutschen Rap zu etablieren, der doch eigentlich schon seit den Fantastischen Vier fest statuiert ist.
Siehe dazu die Verlautbarungen aus „NDW 2005“: „Es gibt nur Ami-Rap, weil man da kein Wort versteht/Und ich werd gnadenlos zensiert, weil mans sofort versteht/Deutsche Mucke ist das Gift und ihr seid gegen uns(…)/ Und Jahre lang war es cooler, blöd auf Englisch zu rappen/ Ne‘ neue Ära beginnt/ Das ist wie Volksmusik/ Die Medien boykottieren mich“.
Auch hier zeigt sich, außer in Auge und Ohr springender Dummheit, kein Rassismus, sondern die von Fler geforderte Vielfalt der Kultur, die sich nicht mehr an der amerikanischen Leitkultur orientieren soll. Amerika ist der Feind, gegen den sich der tabubrecherische Multikulti-Rap zu wenden hat.

Ja, was soll denn die Klage über die Schwäche deutscher Musik denn bitte sonst sein, wenn nicht die Propagierung von noch zu erreichender Stärke? Fler will, dass in Deutschland auch die deutsche Kultur (wobei das bei ihm nicht [ausschließlich] die „Leitkultur“ ist, sondern auch Multikulti auf Basis der deutschen Sprache umfasst – da hat Kaubi recht) dominant ist. Dem „amerikanischen Mainstream“ soll entgegengewirkt werden, damit sich auch auf kultureller Ebene mal so richtig mit Deutschland identifiziert wird, was man z.B. seinem Song „Identität“ entnehmen kann, in welchem es in der Hookline heißt:

Ihr wollt mich stürzen, doch es geht nicht weil das Volk mich liebt
Weil fast jedes Kind da draußen diesen Deutschen liebt
Weil ich zeig der Bevölkerung heut wie es geht
Ich bin kein Nazi, ich bin ein Deutscher mit Identität

Dabei ist die (vermeintliche) Dominanz der ‚Amikultur‘, welche er sich nur mit einem Komplott von Zersetzern der deutschen Kultur im Inneren erklären kann (die von Kaubi angesprochene „Verschwörung“), der Gegner, auf welchen er als „Deutscher mit Identität“ zielt. Das Volk wähnt er sich dabei als guter Nationalist im Rücken, wenn es darum geht, gegen diese vermeintlichen Volkszersetzer von Innen und Außen vorzugehen und das vermutlich auch nicht völlig unbegründet.

Fast noch deutlicher, dass der Antiamerikanismus dem Nationalismus entspringt, wird es bei Bushido – einem Nationalisten, der sich nicht einmal zu blöd ist, die damit einhergehenden Rassifizierungen auf sich selbst anzuwenden:

Die im Rap aufgehobenen Erfahrungen werden in den Zusammenhang von Abstammung und Heimat gesetzt. Bushidos Vater, ein Tunesier, der ihm das „arabische in sich“, sein „Nicht-Verstehen-Wollen“ und den Willen „Alle Leute durch eine Scheibe zu schmeißen“, die seine Mutter beleidigen, vererbte, spielt hier eine ebenso große Rolle wie das Deutsche in ihm, das über die Gene der Mutter vermittelt wurde. Bushido: „Der deutsche Teil sorgt dafür, dass ich mich informiere, versuche, korrekt zu sein.“

Dieser ist als deutsch-arabischer Nationalist beleidigt, weil die USA die Weltmacht Nr. 1 sind:

Die Welt gehört einem einzigen „Stupid White Man“!

Oder ausführlicher bei Kaubi:

Auf seinem Album „Carl Coxx Nutten Vol.1“ spricht Bushido davon, dass Amerika denkt, er sei ein Mörder. Dies bezieht sich auf eine gesteigerte Islamophobie, die Bushido im Post-9/11-Amerika wahrzunehmen glaubt und die sich gegen alle arabischaussehenden Menschen richten würde. So erwacht sein latenter und schon lang gehegter Hass gegen Amerika: „Amerika geht mir am Sack vorbei. Ich stimme den Leuten zu, die die Anschläge verurteilen, obwohl ich sie nachvollziehen kann. (ein offensichtlicher Widerspruch, Anm. Kaubi) Auf der anderen Seite bin ich froh, dass man den Cowboys mal kräftig in den Arsch getreten hat. Leider und das will ich an dieser Stelle deutlich sagen, hat der Arschtritt mehr negative als positive Nachwirkungen. Wenn man die vielen zivilen Opfer mal bei Seite nimmt, haben die Cowboys Schaum vor dem Mund und werden auf Dauer ihren „legalen Terror“ nur noch verstärken. (…) Das Zitat („Amerika denkt ich wär ein Mörder.“ Anm. Kaubi ) mit dem Mörder bezieht sich auf den „legalen Rassismus“, den Amerika den arabisch aussehenden Menschen entgegenbringt. Ich bin Kanake und werde mich hüten nach Babylon zu gehen.“
In Äußerungen dieses Formates vermischt sich arabisches und deutsches Ressentiment gegen Amerika.

Bushido trifft hier sogar etwas, wenn er auf eine gesteigerte prinzipielle Feindschaft gegen Moslems und/oder Araber (was oft rassistisch in eins fallen lassen wird) seit 9/11 und dem „Krieg gegen den Terror“ hinweist. Er reflektiert aber auch falsch darauf, wenn er sich als Moslem, Araber (und Deutscher) betroffen sieht, weil er sich damit (s.o.) identifiziert hat und es sogar in seiner Natur verortet. Sein „Ressentiment“ gegen die USA ist also eines, welches diese nicht mehr als Weltmacht Nr. 1 sehen möchte, weil sie nur egoistisch und moslemfeindlich unterwegs sei:

Es ist ein Tag, nachdem keiner hier gerufen hat.
Es ist ein Tag, an dem keiner was zu suchen hat.
Doch es passiert, weil Amerika mich nicht mag.
Er ist verliebt in sich selbst und fühlt sich stark.
Er will: Öl, Ruhm, Blut, Rauch…
Ich weiß genau, er hat dem Teufel seine Seele verkauft.
Er nimmt sich einfach die Welt, so wie’s ihm gefällt.
Er baut sich Tempel aus Gold und gibt dem Moslems kein Zelt.
Mir wird kalt, ich seh, dass meine Mutter weint,
weil sie weiß, dass für uns Kinder keine Sonne scheint.
Es ist vorbei! Der Qualm steht am Firmament.
Und jetzt sind wir uns sicher, dass unsere Heimat brennt.

(Bushido: „Stupid White Man“)

Das ist einfach nur die adäquate Feindbildpflege beleidigter Euronationalisten (arabischer wohl auch), welche die Vormachtsstellung der USA in der Staatenkonkurrenz als moralisch schlecht darstellen, weil sie im Kontrast dazu betonen wollen, dass ihr Ideal einer guten nationalstaatlich-kapitalistisch verfassten Weltordnung nur mit einer Stärkung ‚ihrer‘ Staaten, welche für gute Herrschaft stünden, zu haben sei. In der Tat trifft sich Bushido hierin ja mit Gerhard „Friedensmacht“ Schröder, Habermas und Derrida und sonstwelchen Nationalisten von oben und unten.

Wie kommt es nun aber, dass Kaubi so etwas doch relativ offensichtliches übersieht? M.E. daher, weil für ihn, ähnlich wie die Antifas, die Fler als Nazi bezeichnen müssen, um ihn ‚kritisieren‘ zu können, das ganz normale willige Mitmachen inkl. der Identifikation mit dem ‚eigenen‘ Staat noch gar kein Nationalismus, geschweige denn zu kritisieren sind. Sonst würde er wohl kaum von einer „Renationalisierung“ daherplappern:

Dass eine Renationalisierung Deutschlands nie ferner lag, als in Zeiten, in denen es seine Weltoffenheit beim Weltjugendtag, sportlichen Großevents und internationalen Debatten repräsentiert, ist offenbar.

Als wäre die Identifikation mit Deutschland seitens der Deutschen etwas, dass es seit 1945 nicht mehr gegeben hätte und jetzt drohe oder eben auch nicht. Diese Identifikation selbst ist aber schon ein Fehler, auch wenn sie sich nicht nazistisch und/oder antiamerikanisch äußert – zumindest wenn man anders als Kaubi nicht nur auf moralische Verurteilung aus ist. Schließlich ist sie die Einverständniserklärung mit einem Staat, welcher einem aufs Eigentum und damit normaler Weise auf Armut festlegt (bei Fler und Bushido letzteres nun nicht mehr), für den man ggf. im Krieg an Front und Heimatfront herhalten darf und dergleichen Nettigkeiten mehr. Und im übrigen ist auch die demonstrative Weltoffenheit vom Nationalismus nicht zu trennen, wollen doch die Nationalisten von oben Deutschland als geläuterte und weltoffene Nation präsentieren, die aus ihrer Geschichte gelernt habe und die sich gerade deswegen überall in der Welt einmischen soll. Dabei fungieren nicht wenige der Nationalisten von unten als willige Vollstrecker und machen solche Veranstaltungen (mit).

Dass Kaubi den ganz normalen Nationalismus nicht erkennen, geschweige denn kritisieren will, wundert freilich nicht sonderlich. Schließlich ist er jemand, der sich die Ordnungsprobleme des bürgerlichen Staats mit jenen, welche mit von diesem verbotenen Methoden mit der von ihm eingerichteten kapitalistischen Gesellschaftsordnung klarkommen wollen, ideell zu seinen zweitwichtigsten (nach dem Antiamerikanismus) macht, also selbst zu den willigen Mitmachern seiner gehört:

Die Propagierung des Zusammenschlusses in einer Bande, mit dem Zweck Gewalttaten zu verüben, sich fremden Besitz durch Androhung von Gewalt anzueignen oder sogenannten „Schwuchteln“ auf die Fresse zu hauen, die am besten noch „Ami-Weicheier“ sind, sollte primärer Ansatzpunkt einer Kritik an „Aggro“ und seinen Musikern sein.

Man muss ihnen [Fler und Bushido; M.] vorwerfen, dass sie Bandenbildungen propagieren, Gewalttaten und die Einnahme von Drogen gutheißen und unter dem Deckmantel des Antirassismus Hetze gegen die für sie unheimliche USA betreiben.

Bei so etwas könnte ich immer ganz aggro werden ;).

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„bedingungsloses Grundeinkommen“ Nachträge zum Karrikaturenstreit und zum Iran; Sonstiges

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  • 1. Nemesis  |  19. Februar 2006 um 16:09

    Dass Kaubi den ganz normalen Nationalismus nicht erkennen, geschweige denn kritisieren will, wundert freilich nicht sonderlich.
    Das liegt wohl auch daran, das ihm die Kritik von ganz normalem(!) Nationalismus etwas zu banal ist, wie vielen aus dieser Szene. Probleme müssen schon Stil besitzten, damit sie in den Genuß und die Gnade kommen von ihnen kritisiert zu werden.
    Meine persönliche Meinung: Es gibt schlimmeres als Ressentiments gegen Amerika.

  • 2. mpunkt  |  19. Februar 2006 um 21:55

    Meine persönliche Meinung: Es gibt schlimmeres als Ressentiments gegen Amerika.

    Naja, „es gibt schlimmeres“ ist aber auch ein einziges interessierter Vergleich, der begründungslose Verharmlosung zum Ziel hat. Was ist denn über eine Sache gesagt, wenn man meint sie wäre schlimm und was, wenn man sagt, es gäbe aber auch noch schlimmere? Und was ist überhaupt der Maßstab für schlimm, zumal bei Fehlern? Die sind eben einfach – ja, Tautologie – falsch. Und als solche eben zu kritisieren.

  • 3. kante  |  20. Februar 2006 um 02:10

    Naja. Kritik an Fehlern zu leisten, setzt doch ein Interesse des Kritikers voraus, dies zu tun, weils ihm unter den Nägeln brennt, diese Fehler als solche kenntlich zu machen. Eine wie auch immer geartete persönliche Betroffenheit muß da gegeben sein. Nemesis hat die bei Antiamerikanismus weniger, ich dagegen schon eher. Auch wenn mir Wichtigeres einfällt, das ich an Deutschland und seinen Liebhabern auszusetzen habe.
    „Schlimm“ als Wort mag da irreführend oder falsch sein, kennzeichnet unter Umständen jedoch nur etwas, das Objekt der Negation sein muß, da es dem Marxschen kategorischen Imperativ bedeutender entgegengesetzt ist als ein anderes Phänomen. Das ist natürlich auch Vergleicherei, aber wenn ich da nicht vergleiche, ende ich damit, widerliche Fassadenfarben statt den „normalen“ Nationalismus zu kritisieren. Da muß man dann schon gucken, ob man nicht selbst in die Falle der Sprachkritik tappt.

  • 4. mpunkt  |  20. Februar 2006 um 10:06

    Das ist natürlich auch Vergleicherei, aber wenn ich da nicht vergleiche, ende ich damit, widerliche Fassadenfarben statt den “normalen” Nationalismus zu kritisieren.

    1.) Naja, das Beispiel ist untauglich, weil es sich bei Fassadenfragen im Gegensatz zum Nationalismus um eine pure Geschmacksfrage handelt, die sich nicht objektiv entscheiden lässt, weswegen da auch keine Fehler möglich sind.
    2.) Wenn man allein nach „finde ich schlimmer“ geht, dann kann man auch (und gerade) mit dem Vergleich dabei landen, dass häßliche Fassadenfarben doch viel schlimmer seien. Auch da trifft dein Einwand also nicht.
    3.) Auf einer ganz prinzipiellen Ebene würde ich trotzdem nicht widersprechen, dass einen ein Gegenstand stören muss, damit man sich seiner Kritik widmet.
    4.) Die Tour mit „es gibt schlimmeres“ ist m.E. dennoch nach wie vor zu kritisieren, weil sie völlig beliebig ist und darauf hinausläuft, dass man sich mit der Kritik eines Gegenstands (scheinbar) einverstanden erklärt, diese dann aber sofort durch Relativierung zurückzuweisen: Okay, hier werden Arbeiter ausgebeutet, aber in Afrika verhungern die Leute massenweise. Da steckt das immerhin des interessierten Vergleichs doch immer mit drin: Na immerhin verhungern sie hier nicht, was willst du also überhaupt? Und irgend etwas was „noch schlimmer“ sein soll, lässt sich immer finden.
    5.) Ich muss mir nochmal überlegen, wie 3.) und 4.) zusammengehen.


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