Verzichte dich moralisch!

22. November 2005 at 12:45

Kritik am Buy-Nothing-Day (BND)

Bald ist es wieder mal soweit – auf Wunsch politisch korrekter Verzichtsideologen soll man einen Tag aufs Einkaufen verzichten. Das hat zwei Hauptgründe, die beide verkehrt sind und auch wenn es mir schwer fällt, eine Bewegung zu kritisieren, die unter aller Kritik ist, sei dies im folgenden kurz begründet:

1. „Beseitigung von Missständen“

So heißt es z.B. auf der Homepage des BNDs Leipzig:

Denn ein Großteil unserer alltäglichen Konsumgüter wird unter ausbeuterischen, menschenrechtsverletzenden Bedingungen erzeugt. Begünstigt durch unfaire Welthandelsstrukturen wird neben der Missachtung von Sozialstandarts auch die Massive Zerstörung der Umwelt vorangetrieben. 20 Prozent der Weltbevölkerung verbrauchen 80 Prozent der Ressourcen!Jeder trägt mit seinem Konsumverhalten Verantwortung für diese Missstände. […] Der Konsumnet ist ein schlafender Riese – am Buy Nothing Day wollen wir ihn wach rütteln. Nutze deine Macht. 26.11.2005 Nix KAUFEN !

Ich vermute mal, dass mit den „20% Prozent der Weltbevölkerung“ die Bevölkerung von Westeuropa und Nordamerika gemeint sein soll. Diese Zusammenfassung ist schon mal ein ziemlicher Käse, weil sie den Privatkonsum von Millionären und Lohnabhängigen, v.a. aber Privatkonsum und die Produktion für Staat und Kapital begriffslos zusammenschmeißt und deshalb keine Klassen mehr kennt, sondern nur noch Konsumenten. Was soll denn bitte der Einkauf von irgendwelchen Fraß bei Aldi mit den Ressourcenverbrauch für Eurofighter oder für neue Maschinerie zu tun haben? Indem das völlig begriffslos alles in einem Topf geworfen wird, wird es ausgerechnet jenen, welche hier permanent und notwendig geschädigt werden, weil sie ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, also darauf angewiesen sind, dass die jemand anderes diese für seine Zwecke benötigt, zum moralischen Vorwurf gemacht, dass es Leuten anderswo noch schlechter geht. Aber sie können ja den moralischen Ablass erwerben, indem sie an einem festgelegten Tag mal nichts kaufen – und da das Geld für sie ohnehin vorne und hinten nicht reicht (was den gutmenschelnden BND-lern kein Wörtchen der Kritik wert ist), bleibt ihnen ja sowieso nichts anderes übrig, als ständig Konsumverzicht zu üben.

Und da wären wir auch bei der ominösen „Macht der Konsumenten“ – worin soll die denn bitte bestehen? Als würden die und nicht die jeweilige Staatsgewalt durch die Setzung des Privateigentums eine Produktionsweise festlegen, bei der es um die Produktion von möglichst viel abstrakten Reichtum geht! Als würden die und nicht eben jene Staatsgewalt durch die Setzung des Eigentums festlegen, dass man alles kaufen muss! Als würden die darüber entscheiden, dass die Kapitalisten in ihrer Konkurrenz darum, ihren abstrakten Reichtum zu vermehren, die Arbeitskraft möglichst billig kaufen und möglichst lange und effizient anzuwenden versuchen! Als würden die darüber entscheiden, was der Staat sich so an Waffen und die Kapitalisten an neuen Maschinen, welche einen Teil der Arbeiter überflüssig machen und die Arbeitskraft des anderen effizienter verwerten, sie also auf mehr Mühe verpflichtet, zulegen! Und als hätten die mit ihren kümmerlichen Verfügung über allgemeines Äquivalent (Geld) groß eine andere Wahl, als Aldi-Fraß, Billigklamotten etc. zu kaufen!

Aber das kommt eben davon, wenn man sich gar nicht um das Herausfinden der Gründe für das weltweite Elend bemüht, sondern lediglich moralische Postulate aufstellt, wie man sich korrekt zu diesem zu verhalten hat. Nur so kommt man auch überhaupt darauf, zu fordern, dass man mal einen Tag nichts kaufen soll – das Problem ist doch, dass man auch davor und danach überhaupt darauf angewiesen ist, Geld für die Befriedigung sämtlicher Bedürfnisse hinlegen zu müssen! Und da passt es eben auch, dass diese Leute nur einen fairen Handel (Warum soll der denn bitte jetzt unfair sein?) wollen – als würde der nicht aus den angedeuteten Gründen ebenfalls notwendig lauter Schädigungen der Leute bedeuten …

2. Ausbruch aus der Manipulation

Das ist das andere Ziel der Kampagne, wie der Einladungsmail für den BND Leipzig zu entnehmen ist:

Die Idee dahinter ist, dass sich jeder mal eine Pause vom alltäglichen Shopping-Terror gönnt, um mal zu sehen womit man seine Zeit außerdem so verbringen kann, um ein Zeichen zu setzen, um nachzudenken und sich zu informieren.

Dabei wird so getan, als wären die als an sich ‚gut‘ – also sich in inhaltlicher Übereinstimmung mit den Verzichtsideologen – gedachten Leute nur durch ihren „übermäßigen Konsum“ davon wegmanipuliert. Und wenn die mal einen Tag nichts kaufen würden, dann würden sie diese Manipulation durchbrechen. Das ist nicht nur deshalb Blödsinn, weil Bewusstsein immer auf Gesellschaft reflektiert, also ‚an sich‘ oder ‚von Natur aus‘ nicht vorhanden ist und weil es sich – was ja das Ideal der Manipulation ist – sich auch nicht an ihm selbst vorbei ändern lässt (das wäre ja auch ein krasser Widerspruch), sondern eben auch deswegen, weil wie gesagt die Leute ja durch das vom bürgerlichen Staat gesetzte Privateigentum, welches alle anderen vom Eigentum seines Besitzers ausschließt, darauf verpflichtet sind, einzukaufen, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen und schon allein deshalb permanent zum Konsumverzicht gezwungen sind, weil die Menge an Geld, über die sie verfügen, quantitativ beschränkt ist.

Besondere Ekelhaftigkeiten

Als wäre das alles nicht schon widerlich genug, leistet sich die Kampagne auch noch ein paar besondere Klopse, die allerdings zu ihr passend sind, strebt die Verzichtsmoralisten ja nach praktischer Umsetzung ihres Unfugs. Und wenn sie dafür – vermutlich zu ihren großen Bedauern – schon auf die real existierende Staatsgewalt nicht zugreifen können, dann müssen sie diese wenigstens imitieren:

Manche Agitatoren werden sich als „Einkaufs-Polizei“ verkleiden und „Bußgeldbescheide“ an Leute verteilen, die mit Einkaufstaschen überladen sind. (Quelle)

Und wenn das mit der Staatsgewalt zur Durchsetzung ihres Tugendterrors schon auf einer symbolischen Ebene bleiben muss, freuen sich die Veranstalter des BNDs dieses Jahr wenigstens auf die Altmeister im Verzicht predigen zurückgreifen zu können:

Buy Nothing Day- Veranstaltungen werden von ganz unterschiedlichen Anti- Konsum- Gruppen, Umweltschützern, Globalisierungsgegnern und zum ersten mal auch von religiösen Gruppen organisiert. (Quelle; Hervorhebung von mir; M.)

Ich kann (mangels Geld) gar nicht so viel konsumieren, wie ich kotzen will!

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weder-noch Diverses rund ums Antideutschtum


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